Von 10 bis 10.000 war alles dabei!

Kinder des campus kinderhauses werden mit Alltagsmaterial zu Architekten 

Auftakt war ein Elternbrief im Dezember des vergangenen Jahres. Ein bestimmtes Alltagsmaterial sollte gesammelt werden, um es den Kindern als Erkundungs- und Baumaterial in unserem Bewegungsraum, der „Baustelle“ anzubieten. Sofort waren die Kinder und Familien begeistert und sammelten. Nach kurzer Zeit kam schon so viel zusammen, dass sich erste Stapel im Eingangsbereich des campus kinderhauses bildeten. Der Schrank im Personalzimmer wurde genutzt, um das Material bis unter die Decke zu stapeln. In den Gruppen füllten sich Schränke und Nebenräume. Auf unterschiedlichste Weise wurden die Materialien in den verschiedensten Größen und Breiten besorgt – durch die eigene Familie, durch die Großeltern, durch Freunde, Verwandte und Bekannte – sogar über das Kleinanzeigen Portal von „ebay“. 

Doch über welches Material sprechen wir hier? Die Rede ist von Eierkartons. Ein Alltagsmaterial, dass bestimmt jeder schon einmal in den Händen hatte.

Von einem kleinen 4er Karton über 10er und 18er Kartons bis hin zu den ganz großen 40er Eierlagen fand sich nun alles im Kinderhaus wieder, – und das in Hülle und Fülle. 

Bevor es losgehen konnte, musste diese Menge erst mal in die Bewegungsbaustelle – Kein Problem: Kinder aus der „Blaumeisen-, Grünspecht- und Rotkehlchen-Gruppe“ packten tatkräftig mit an und schnell waren alle Kartons an ihrem vorhergesehenen Platz.

„Wenn ich mein Kinn als Stütze benutzte, kann ich die gut festhalten“ – Praktische Lösungen werden gefunden. 

„Schaut mal, wie viel ich tragen kann!“ 

Doch damit Kinder einen guten Überblick über ihre Möglichkeiten bekamen, mussten die ganzen Kartons noch sortiert werden. So entstand in jedem Bereich der Bewegungsbaustelle ein eigener Stapel mit 4er, 6er, 8er, 10er, 12er, 15er und 18er Kartons. Zudem gab es noch einen Stapel mit Eierlagen.  Natürlich wurde beim Sortieren bemerkt, dass es tatsächlich einen einzigen Eierkarton in der Farbe Lila gab. Dieser wurde in den darauffolgenden Wochen behütet wie ein Schatz. Es war gar nicht daran zu denken, dass dieser Eierkarton als „schlichter Mauerstein“ verwendet wurde. Er war viel mehr ein Edelstein und immer wieder schauten die Kinder, wo sich der lila Eierkarton gerade befand.

Als die Kinder gefragt wurden, wie viele Kartons das wohl sein mögen, war in der Spanne von 10 bis 10.000 alles dabei. Tatsächlich waren es knapp über 1.500 Eierkartons.

Nun konnten die Kinder in altershomogenen Gruppen starten. Während es für die jüngsten Kinder des campus kinderhauses grundlegende Materialerfahrungen mit den Kartons waren: (z.B. – Wie bekomme ich den Karton auf? – Wie schließt er sich? – Kann man sie ineinander stapeln? – Was passiert, wenn ich darauf trete?), ging es für die älteren meist direkt ans Ausprobieren und Bauen. Schnell entstanden erste Mauern und Pferdeställe. Gerade bei den Mauern war anfangs noch gut die Vorgehensweise von „Versuch und Irrtum“ zu beobachten. Oftmals wurden die Kartons bündig übereinandergestapelt, was zur Folge hatte, dass die Mauer ab einer gewissen Höhe in sich zusammenfiel. Was folgte war ein kurzer (Frust)Moment zum Durchatmen, manchmal auch begleitet von der Aussage: „Nicht schon wiiieder!“. Doch dann hieß es, nicht den Kopf in den Sand zu stecken, sondern sich mit vollem Tatendrang  wieder in die Aktivität zu stürzen. Schnell kam die Erkenntnis, dass versetztes Bauen zu mehr Stabilität führt und die Bauwerke wurden dementsprechend immer breiter und höher. Und für die Kinder war es ganz wichtig, dass Gebautes stehen blieb. Es entwickelte sich ein „Schlaraffenland für angehende Bauingenieure“ und so kam es, dass am ersten Tag als die Vorschulkinder, im Kinderhaus „Pusteblumen“ genannt, mit den Eierkartons experimentierten, – fast alle 1.500 Kartons verbaut waren. 


Hey, ich habe es geschafft.

Es wackelt zwar ein wenig, aber den nächsten Eierkarton kriege ich bestimmt auch noch darauf gestapelt.

Das Aufbauen war schon aufregend und eine tolle Erfahrung – aber das bewusste Einstürzen macht mindestens genauso viel Freude! 

Breiter und Höher!

Tag für Tag entstanden immer größere Bauten und tiefere Höhlen die zum Spielen und Verstecken einluden. 

Im Laufe der Zeit organisierten sich die Kinder untereinander und es gab diejenigen, die bauten und diejenigen, die das entsprechende Material besorgten. Es waren also häufig solche Sätze zu hören, wie: „Ich brauche noch einen 4er um die Lücke zu schließen!“ Oder: „Jetzt müssen wir ganz viele 10er kriegen, dann können wir das alles auf einer Höhe bauen.“ Es war Mathematik in ihrer reinsten Form.

Ordnung muss sein. Die 10er Kartons sind zu einer großen Mauer gestapelt worden.

Was geschah, wenn ein Bauwerk so hoch war, dass man nicht mehr die oberste Etage erreichte? Auch dafür hatten die Kinder schnell eine Lösung gefunden. „Wir haben doch da eine Leiter stehen, die können wir doch nehmen!“ Gesagt – getan. Und so kam es vor, dass vereinzelt Türme bis zum Hallendach gebaut wurden – inklusive stolzer Blicke der jungen Architekten und Architektinnen. 

Als es weiter in die Höhe ging, musste die Leiter als Hilfsmaterial hinzugeholt werden. 

Da gerade Karnevalszeit war, standen die Kinder gerne auf der Leiter in ihrem „Karton – Karnevalswagen“ und grüßten als Prinz und Prinzessin mit einem herzlichen „Helau, Alaaf und De-un-da“.

Schließlich näherte sich die Bauzeit dem Ende zu. Es ging ans Aufräumen und Sortieren. Aber auch das war tatsächlich schnell erledigt. Ein Teil der Kinder ging voll in der Tätigkeit des Sortierens auf und achteten sehr genau darauf, dass kein Karton einem falschen Stapel zu sortiert wurde. Die anderen waren die „Müllfahrzeuge“ und brachten den „Sortierern“ immer neuen Nachschub.

Für uns als pädagogisches Personal war es eine Freude, den Kindern beim Experimentieren, Entdecken, Erfahren und Lernen so über die Schulter schauen zu können und zu dürfen. 

Es sind Erlebnisse, von denen wir sicher „noch später“ erzählen werden.

Ein großer Dank geht an alle Sammler*innen in den Familien. Ohne euren großen Einsatz wäre ein Projekt in dieser Größenordnung nicht möglich gewesen – Vielen Dank!

Finn Wilms